Informationen für Lehrkräfte
Lehrplanbezug (LP 6 für 9-jähr. Gymnasium)
- Die SuS erschließen Texte unterschiedlicher medialer Form (S. 4).
- Sie lesen und untersuchen Fabeln (S. 30).
- Sie wenden handlungs- und produktionsorientierte Methoden zur Deutung an.
- Sie nutzen die Computertastatur (S. 34).
- Sie schreiben kreativ gestaltende Texte (S. 36).
Lernziele
Deutsch:
- Die SuS erkennen den Zusammenhang zwischen Figureneigenschaften, Handlung und Ausgang bzw. Lehre der Fabel.
- Die SuS schreiben eine Fabel um.
Informatische Inhalte:
- Die SuS lernen Hypertexte und interactive fictions kennen.
- Die SuS verwenden das Tool Twine und nutzen Markdown und HTML.
Stundenverlaufsplan (90 min)
Zeit/ Phase | Lehrer-/SuS-Aktivität | Medien | Sozialform |
Einstieg: ca. 15 min | Konfrontation mit Begriffen: Hypertexte, Hyperfictions; Lesen der Beispiel-geschichte; LV: Erläuterung der Begriffe | Seite 1, Powerpoint (QR-Code, Definitionen), Beamer | Plenum, Einzelarbeit |
Erarbeitung und Sicherung I: ca. 15 min | Lesen der Originalversionen der Fabeln; Nennen der Gründe für das Scheitern oder den Erfolg des schwächeren Tiers; Formulierung einer Hypothese für die Varianz der Fabeln | ZUM-Pad, Beamer | Einzelarbeit |
Erarbeitung II: Erläuterung ca. 15 min Schreiben der Geschichte inklusive Formatierung ca. 30 min | LV: Erläuterung der Schreibaufgabe und Vorführen der Funktionsweise des Tools Schreiben der Geschichten | Seite 2+3, Twine, Beamer | Einzelarbeit |
Sicherung II: ca. 15 min | Vortrag der Ergebnisse durch SuS | Tablets der SuS, Beamer | Plenum |
Evaluation | Ausfüllen des Online-Fragebogens | Seite 5 | Einzelarbeit |
didakt. Reserve | Test | Seite 4 | Einzelarbeit |
Rahmenbedingungen
Im Vorfeld der beiden Unterrichtsstunden haben die SechstklässlerInnen bereits einige Fabeln gelesen, die typischen Eigenschaften des Personals und die jeweiligen Lehren der Fabeln herausgefunden. Auch haben sie bereits eine eigene Fabel (analog) verfasst. Das inhaltliche Vorwissen der LernerInnen ist nötig, da sie so die Merkmale der Fabel bewusst überformen und die Folgen der Veränderungen für die didaktische Funktion der Fabel reflektieren können.
Sachanalyse
Ein Hypertext ist eine „multilineare, netzförmige Organisation von Segmenten durch Hyperlinks, die dem Leser eine alternative Navigation durch das Gesamtdokument erlaubt“ (Simanowski 2009: 387). Der Autor eines solchen Textes kann die lineare Informationsanordnung überwinden, der Leser kann sich innerhalb der vom Autor gesetzten Links auf einen individuellen Lesepfad begeben (vgl. ebd.). Diese Möglichkeiten haben Auswirkungen auf die Gestaltung eines Erzähltextes, denn der Leser kann, indem er zu einer Handlung, vornehmlich zum Treffen einer Entscheidung durch Wahl eines Hyperlinks, aufgefordert wird, als Figur in die Erzählung einbezogen werden. Deshalb begegnet anstelle des Hypertext-Begriffs auch oft der des Textadventures, der die Nähe zu Computerspielen deutlicher aufzeigt. Die im Internet zu findenden Hypertextfictions orientieren sich meistens an Genres, die Spannung erzeugen und die auch die Computerspielwelt dominieren, etwa Science Fiction, Horror, Detektiv- und Abenteuergeschichten. Der immersive Charakter der Geschichten wird mittels Bildern und Sound gesteigert, wobei der Leser manchmal auch zeitlich unter Druck gesetzt wird, indem die Betätigung der Links mit einer fortschreitenden Uhrzeit verknüpft, dadurch das Ablaufen der erzählten Zeit suggeriert und das Spiel nach einer festgelegten Zahl an Links abgebrochen wird.
Die Textsorte der Fabel mit der der Hypertextfiction zu kombinieren, ist untypisch und kontraintuitiv, doch lässt sich zwischen dem Schreiben einer Fabel und dem Schreiben eines Hypertexts mindestens eine Parallele finden: Der Autor einer Fabel verfolgt die Intention, dem Leser über den Weg einer unterhaltenden und kurzweiligen Geschichte eine Lebensweisheit zu vermitteln und ist darum bemüht, exemplarische Verhaltensweisen und Situationen zu konstruieren, aus denen der abschließende Aphorismus geschlussfolgert werden kann. In keiner anderen Gattung lässt sich „in so komprimierter Weise Vergnügen und Nutzen verb[i]nden“ (Stephan 2019: 180). Der Autor einer Hypertextfiction verfolgt seltener didaktische Ziele, aber auch er muss überlegen, welche Handlungen und Ereignisse den Leser bzw. die Figur, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, zu einem positiven oder negativen Ende führen. So wie der Fabelautor seine Figur, die sich in einer schwierigen Lage befindet, entweder scheitern oder sich durch eine List befreien oder bereichern lassen kann, kann der Autor der interaktiven Geschichte ebenfalls dem Protagonisten oder Leser Entscheidungsalternativen anbieten, die sich als kluge List oder als Fehlentscheidung herausstellen. Zudem zeigt der Fabelvergleich, dass die Lehren durchaus nicht als Handlungsanweisungen verstanden werden sollten. Das gleiche Verhalten eines Tiers führt in einem Text zum Erfolg, im anderen zur Niederlage. Ein Hypertext demonstriert schon durch seine Struktur, dass es statt einer simplen Lösung viele Unwägbarkeiten gibt.
Dadurch, dass Fabeln im Laufe der Jahrhunderte umgeschrieben oder um selbstreferentielle Passagen ergänzt wurden und sich so oftmals ihre Botschaft komplett veränderte, eignet sich diese Textsorte besonders gut, um Konzepte wie Wendepunkte und Schlüsselstellen in epischen Texten zu veranschaulichen, die schließlich für das Schreiben von Texten mit Hyperlinks essenziell sind. Die SuS ermitteln durch den Vergleich von Fabeln mit ähnlichen Motiven die erzählerischen Elemente, die den Verlauf der Handlung beeinflussen, und setzen dieses Wissen direkt in eigenen kreativen Schreibprodukten um.
Didaktisch-Methodischer Kommentar
Neben dem Textsortenwissen, dass vertieft (Fabeln) oder neu erworben wird (Hypertexte), bietet das Thema die Gelegenheit, Elemente informatischer Bildung in den Fachunterricht einzubinden. Die SuS lernen die Bedienung des Tools Twine kennen und verwenden einfache Programmiersprachen wie Markdown und HTML für das Layout. Außerdem üben sie die Tastenkombinationen für Kopieren und Einfügen sowie das Schreiben mit Tastatur und lernen Portale mit lizenzfreien und für eigene digitale Produkte verwendbaren Medien kennen, was für weitere digitale Schreibaufgaben wie die Gestaltung von Präsentationen, Plakaten und Infografiken notwendige Grundfähigkeiten darstellen.
In der ersten Stunde ermitteln die SuS Kennzeichen der interaktiven Geschichte, indem sie ein von der Lehrkraft erstelltes Beispiel lesen und die Unterschiede zu einem analogen Text benennen. Dabei kann bereits auf die sprachlichen und erzähltechnischen Unterschiede zu traditionellen Fabeln aus der Antike oder aus der Aufklärungszeit eingegangen werden. Die SuS der sechsten Klasse werden noch keine Fachtermini der Erzählanalyse beherrschen, doch wird ihnen auffallen, dass die Geschichte den Leser stärker einbezieht (z.B. durch einen Ich- oder Du-Erzähler, erlebte Rede oder innere Monologe) und im Gegensatz zu den nüchtern-präzisen Fabeln mehr Freiheiten bei der Beschreibung der Figuren, ihrer Umgebung und Gefühle bestehen. In einem nächsten Schritt erarbeiten die SuS die Ursachen für das Scheitern oder den Erfolg der Fabelfiguren in den Fabeloriginalen, aus denen die Hypertextfiction zusammengesetzt wurde. Dadurch entsteht automatisch eine Sammlung an handlungsverändernden Elementen wie zufällige Ereignisse oder Veränderungen der Charaktereigenschaften der Figuren, welche das eigene Schreiben inspirieren können. Gesichert werden die Ergebnisse in einem ZUMPad, wobei eine Ersatzseite angelegt wird, falls versehentlich Texte gelöscht werden. Die zweite Erarbeitung besteht aus dem Schreiben der interaktiven Fabel. Da die Textsorte sehr kurz ist, wird gewährleistet, dass auch diejenigen, die im Umgang mit der Tastatur ungeübt sind, ihre Geschichte vervollständigen können und Zeit für das Layout übrigbleibt. Bevor die SuS mit dem Schreiben beginnen, werden das Tool vorgestellt und die Einstellungsschritte bis zum über den Beamer vorgeführt. Die SuS erhalten inhaltliche Tipps und Tabellen mit Codes. Zum Abschluss werden auf freiwilliger Basis SuS-Texte über den Beamer präsentiert. SuS, die die Schreibaufgabe früher beenden, erhalten den Auftrag, die Geschichte eines anderen Schülers bzw. einer anderen Schülerin zu lesen und ein kurzes, kriteriengeleitetes Feedback zu formulieren, wofür aus Gründen der Zeiteffizienz die Tablets getauscht werden können. Zudem gibt es als didaktische Reserve eine Wiederholungsaufgabe (H5P-Element). Zur Differenzierung gehören die Angabe des Minimums von fünf Textbausteinen an zu schreibendem Text und das Angebot, den Text zweisprachig zu schreiben.
Reflexion
Die Durchführung der Doppelstunde zeigte, dass die SechstklässlerInnen mit dem Tool Twine umgehen und nach einer kurzen Einführung eigene Texte mit dem Programm verfassen können, weshalb der Einsatz auch in anderen Unterrichtsreihen oder -fächern lohnend erscheint. Das gemeinsame Arbeiten an einem Dokument, wie es das ZUM-Pad ermöglicht, erfordert jedoch der Übung. Eine Alternative wäre, mehrere Seiten zu erstellen, wobei jede Seite von einem Teil der Klasse bearbeitet wird, sodass die Übersichtlichkeit gewährleistet wird. Auch ist es angebracht, dass die Lehrkraft die Aufgabenstellung aus der ersten Erarbeitungsphase an einer Fabel exemplarisch vorführt, um das Verständnis der Aufgabe sicherzustellen. Um die Ergebnisse für die gesamte Klasse zu sichern, kann die Lehrkraft die SuS-Antworten im Anschluss in eine neue Seite des ZUM-Pad einfügen (und ergänzen). Zudem ist es sinnvoll, mit den SuS das Wechseln zwischen mehreren Tabs zu trainieren, da sie im Verlauf der Doppelstunde gleichzeitig auf Twine, auf Inhalte dieser Webseite und auf weitere Seiten für die Bildersuche zugreifen müssen. Der Evaluation zufolge konnten die meisten Lernziele erreicht werden, allerdings waren die Begrifflichkeiten (Hypertext) den Lernenden noch nicht klar. Dies wird darauf zurückgeführt, dass zum einen mehrere neue Begriffe genannt wurden und zum anderen die Definitionen in der ersten Unterrichtsstunde von der Lehrkraft erklärt, aber am Ende der Doppelstunde nicht wiederholt worden sind.
Sekundärliteratur
Ministerium für Bildung und Kultur Saarland (Hg.), Deutsch Lehrplan. Neunjähriges Gymnasium. Klassenstufen 5 und 6 (2023). Online unter: https://www.saarland.de/mbk/DE/portale/bildungsserver/unterricht-und-bildungsthemen/lehrplaenehandreichungen/lehrplaeneallgemeinbildende/gymnasium.
Simanowski, Roberto, Hypertext, in: Dieter Lamping u.a. (Hgg.), Handbuch der literarischen Gattungen. Stuttgart 2009, S. 387-392.
Stephan, Inge, Aufklärung, in: Wolfgang Beutin u.a. (Hgg.), Deutsche Literaturgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. 9. Aufl. Berlin 2019, S. 151-184.